Bild: Die „Finanzwächter“ Frank Hilliger und Clemens Pochop (v.l.n.r.) fordern eine Abschaffung der Straßenbeiträge und verweisen auf das Beispiel Hartmannshain.
In Wächtersbach gibt es auch nach der letzten Stadtverordnetenversammlung vor der Kommunalwahl weiter eine Straßenbeitragssatzung, auch wenn sie bisher nicht angewandt wird. Da sich dies nach Corona ändern könnte, wollen die Freien Wächter diese nun abschaffen und die Bürger finanziell entlasten.
„Straßenbeiträge haben das Zeug dazu, Existenzen zu ruinieren“, unterstreicht Clemens Pochop gleich zu Beginn die Bedeutung seines Anliegens. Und weiter: „Das Thema wurde zuletzt in der Stadtverordnetenversammlung im Oktober behandelt und in die Ausschüsse verwiesen. Es wird Zeit, dass wir es wieder angehen.“ Er geht in die Details: „Wir haben eine Straßenbeitragssatzung, welche regelt, dass Anwohner für die Sanierung einer angrenzenden Straße zahlen müssen. Diese Satzung findet aber tatsächlich nur bei einer Sanierung, nicht aber bei einer notdürftigen Reparatur Anwendung.“ Die Satzung existiere zwar, werde jedoch nicht angewandt. „Wenn eine Straße bearbeitet werden soll, werden die Anlieger gefragt, ob sie eine teure Sanierung auf eigene Kosten oder eine notdürftige Reparatur auf Kosten aller Steuerzahler möchten. Natürlich entscheidet man sich da für Letzteres, das würde ich auch so machen.“, so Pochop. Damit sei es generell fraglich, ob es noch eine Straßenbeitragssatzung brauche, da sie ja von der Verwaltung ohnehin nicht angewandt würde.
Dieses Verfahren habe dazu geführt, dass es in Wächtersbach einen Sanierungsstau gebe: „In den Investitionsplänen bis 2024 sind die Erneuerung von Hessengasse, Rougeweg, Loosgasse, Spessartstraße, Mittbachweg, Hainhofweg, Im Aßmusgarten und Regensburger Straße vorgesehen.“, erläutert Frank Hilliger. Er ist gemeinsam mit Pochop in der „Arbeitsgruppe Finanzen“ der Freien Wächter. „Wer sich mit Materialerhalt auskennt, der weiß, immer nur notdürftig reparieren kommt langfristig teurer zu stehen, als einmal richtig machen“, so Hilliger weiter. Die Satzung enthalte außerdem noch eine Ungerechtigkeit: „Ist man zum Tag X Eigentümer an einer Sanierungsstraße, so ist man zahlungspflichtig. Wenn man aber nur einen Tag später kauft, kommt man kostenfrei aus der Sanierung heraus. Das ist ungerecht.“ Auch die Beträge seien immens. „Ich empfehle einen Ausflug nach Hartmannshain im Vogelsberg. Dort haben die Anwohner als Protest ihre Straßenbeiträge auf große Schilder vor ihren Häusern veröffentlicht. Dort sind Beiträge bis 30.000 Euro zu finden!“, warnt Hilliger vor immensen Belastungen für die Anlieger.
Bei den Straßenausbaubeiträgen handelt es sich um Geld, das Kommunen von Anwohnern verlangen, wenn sie Ortsstraßen verbessern oder erneuern. Der Gesamtbetrag könne zwar über bis zu 20 Jahre abbezahlt werden. „Aber selbst 100 Euro pro Monat sind für manche Rentner oder Familie ein Betrag, der die eigene Existenz nachhaltig beeinflusst.“, erklärt Frank Hilliger weiter. Die hessenweite Tendenz geht klar zur Abschaffung der einmaligen Beträge: Bis Ende 2018 hatten rund 40 hessische Gemeinden die Straßenausbaubeiträge abgeschafft, nur fünf Monate später waren es bereits 70. Im Sommer 2020 erhoben 154 Gemeinden keine Straßenausbaubeiträge mehr, 46 Gemeinden erhoben wiederkehrende Beiträge. Nur noch 208 Kommunen erhoben einmalige Beiträge, davon 19 in abgesenkter Form.
„Wir sollten jetzt gemeinsam, alle Parteien und die Freien Wächter, den nächsten Schritt gehen und die Satzung abschaffen“, appelliert Hilliger. Die Kosten für etwaige Sanierungen würden vorläufig gemeinschaftlich durch die Stadt getragen, so wie dies bisher bei den notdürftigen Reparaturen ohnehin bereits erfolgt. Mittelfristig sei ein Ausgleich durch das Land Hessen möglich. Ein Blick über die Landesgrenze nach Bayern unterstreiche dies: Dort wurden die Beiträge im Jahr 2018 auf Druck der Freien Wähler abgeschafft und das Land zahlt einen Lastenausgleich.
In Hessen hatte die Mehrheit aus CDU und Grüne Anträge der SPD und Linken abgelehnt, die Straßenbeiträge abzuschaffen. „In Wächtersbach könnte die SPD dem Vorbild der Landespartei folgen und klare Verhältnisse schaffen.“, erzählt abschließend Clemens Pochop. Der für die Kommunalwahl auf Listenplatz 1 der Freien Wächter Stehende betont, dass der Vorschlag keine Wahlkampfidee sei, sondern nach der Wahl ernsthaft angegangen werde: „Was einer überparteilichen Bürgerinitiative im Großen in Bayern gelungen ist, wollen wir im Kleinen für Wächtersbach auch schaffen.“
Foto „Der Wächter“: Nils Korn
Collage: Freie Wächter/Jan Volkmann